Sonntag, 4. November 2007

15 Breitengrade nach Süden - Teil I


Von Tonga nach Neuseeland segeln. 15 Breitengrade, oder knapp über tausend Meilen. Ist das eine verrückte Idee und ein Riesenabenteuer oder einfach nur verrückt in einem 15m langen Boot einen Ozean zu überqueren. Es ist wohl beides, aber in den letzten drei Wochen habe ich noch verrücktere Dinge gesehen und Leute die das noch erschweren indem sie das ganze in noch kleineren Booten oder alleine - one handed - machen. Und diese Typen sind auch nicht mehr oder weniger verrückt oder durchgedreht als so manchen den ich kenne der irre Sachen in den Bergen oder sonstwo an Land macht. Die Erfahrungen die ich gemacht habe sind teilweise kaum zu beschreiben und teilweise einfach schwierig zu erklären. Bevor es losging konnte ich mir kaum vorstellen, was für ein Gefühl es ist mitten auf dem Ozean zu sein und nur Wasser am Horizont zu sehen. Das Gefühl ist nicht wirklich komisch und man kann seltsamerweise ziemlich gut schlafen , mit dem Gedanken, das das nächste Land ein paar Kilometer weit weg ist - nach unten. Eine andere Erfahrung die ich gemacht habe ist die schiere Größe dieses Planeten und das Ausmass dass die Ozeane haben. Diese von oben betrachtete Wasserwüste. Auf der Karte oder auf dem Globus sieht das alles so nahe beieinander aus und wenn man die Distanz dann segelt, mit einer Geschwindigkeit von 3-6 Knoten (Seemeilen ~1,8km/Stunde) segelt dann wird das alles grösser aber irgendwie kommt es in Relation zueinander. Vor allem da auf unser Reise sich auch noch das Klima deutlich verändert hat und man von Nacht zu Nacht immer mehr Kälte zu spüren hatte. Tonga ist tropisch und ein Hemd braucht man nur um sich vor der hautschälenden Sonne zu schützen, nachts schwitzt man sowieso. Und im fruehjährlichen Norden von Neuseeland braucht man nachts Socken, freut sich über lange Hosen und einen Fleece und eine Windjacke.
Auch die Wasserwüste ist wenn man sie durchquert anders als man sich erträumen kann. Es ist wie eine andere Welt. Die Korallenriffe um die tropischen Inseln sind von über Wasser nur durch die Brandung die sich an ihnen bricht zu erkennnen aber unter Wasser einfach überwältigend. Und wenn man bei klarem Wasser, welches draußen auf dem Ozean eine unglaublich tiefe Bläue hat und Windstille, welche wir mehrere Tage erleben (durften) hinuntersieht, dann sieht man das Leben unter einem vorbeiziehen: Quallen, Salpen, überraschend wenig Fische aber dafür auch mal einen Hai der sich neugierig dem Angelköder nähert. Und nachts ist der Eindruck wieder ein anderer. Scheint der Vollmond ist es auf dem Wasser so hell, das man beinahe ein Buch lesen kann. Steht der Mond nicht am Himmel, leuchten hunderttausende Sterne und ziehen langsam ihre Bahn über der Himmel. Da man nachts mehrfach Zeit hat sich das Spektakel anzuschauen und zu genießen, erkennt man auch diese Bewegung, so wie die der Sonne am Tag. Ein Lichtspektakel gibt es aber nicht nur am Himmel, mit unglaublichen Sonnenaufgängen, -untergängen und Sternen- und Mondlicht sondern auch im Wasser. All das Plankton, das am Tag einfach ungesehen in seiner ziemlich wässrigen Konsistenz oder einzelligen Mickrigkeit einfach unbeachtet vorbeizieht, leuchtet nachts und blitzt in Wellen und im Kielwasser. Wie eine Spur die sich im Wasser hinter dem Boot bildet. Manchmal auch ein großer Lichtfleck weiter weg, aber was genau hier lockt oder schockt, kann man nur erahnen.





Ich bin relativ überraschend an dieses Abenteuer gekommen. Über den Winter habe ich von der Uni aus einen Segelkurs in Wellington gemacht. Ich hab zwar einiges gelernt aber es war schon manchmal hart, weil das Wasser in Wellington im Winter schon unangenehm kalt ein kann - auch mit Neoprenanzug. Auf jeden Fall hatte ich den Eindruck, dass ich vor allem in der Lage bin einen Dingi mit Wasser zu füllen oder zum Kentern zu bringen. In einem So kleinen vier-Meter Boot geht alles eben ziemlich schnell und eine Bö kann katastrophale Auswirkungen haben. Also einen umschmeißen, wenn man sich zu blöd anstellt. Nichtsdestotrotz habe ich mich nicht abschrecken lassen und als ich vor vier Wochen eine Mail bekommen habe, ob ich denn Lust hätte eine Blue-Ocean Passage mitzusegeln, habe ich nicht lange überlegt. Keine Woche später war ich im Inselkönigreich Tonga wo ich mir die Südseesonne - solange sie zu sehen war - auf die Haut scheinen lassen. Es ist nämlich auch in der Südsee so, dass die ganzen Postkartenbilder immer an Tagen mit schönem Wetter geschossen werden, graue Tage sind gar nicht selten, wenn sie auch nicht wirklich kalt sind.






Nach drei Stunden Flug von Auckland landete ich auf diesem mickrigen Eiland umgeben von ganz viel Ozean, an sich ein Wunder wie die das immer wieder finden. Noch in Auckland erreichte mich die Nachricht, dass unser Auslegerbaum gebrochen war und wir daher eine Weile auf der Insel bleiben müssten, das konnte ich jetzt aber nicht wirklich schlimm finden. In der nächsten Woche kam dann das benötigte Ersatzteil mit unserem dritten Mann Setan an und das Ding konnte geschweißt werden. Es hat auch gehalten bis ans Ende und - zum Glück - hat unsere Takelage alles ausgehalten und so stand -Wind gegeben - unserer Heimreise nichts mehr im Wege.


Am 20. Oktober wollten wir dann in See stechen, Vorräte waren gekauft, wir hatten uns sogar direkt bei der örtlichen Brauerei mit Bier eingedeckt. Irgendwann dachten wir wir hätten zuviel Bier gekauft uns uns verkalkuliert, aber wie es sich dann ergab, gab es später genug Gründe Bier zu trinken und die Seekrankheit stand dem auch nicht mehr im Wege, und als wir später bei Flaute dahindümpelten, waren wir schon froh wenigstens genug Gerstensaft dabei zuhaben. Außerdem hatten wir uns mit Papayas und einer Staude grüner Bananen versorgt (1,50 Euro - dafür bekommt man zuhause eine einzige Banane), die unterwegs allmählich reiften und uns bis zum letzen Tag reichten.

Fortsetzung folgt...


Von Tonga nach Neuseeland - Album